Netzwerkstudie

Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT) bei Patienten mit einer Borderline Persönlichkeitsstörung im Versorgungskontext in Berlin: Adhärenz und Effectiveness

Zusammenfassung
Die Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT) gilt als gut evaluierte und wirksame Therapie zur Behandlung von Patienten mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS). Dies konnte in mehreren randomisiert kontrollierten Studien (RCTs) nachgewiesen werden (Linehan et al., 1991, 1993, 2006; Turner, 2000; Koons et al., 2001; Verheul et al., 2003). Keine dieser Studien fand jedoch unter herkömmlichen psychotherapeutischen und psychiatrischen ambulanten Versorgungsbedingungen statt. Inwiefern die Ergebnisse damit auf die tatsächliche Versorgungssituation übertragbar sind, bleibt bislang unbeantwortet. Geht man davon aus, dass die Mehrheit der Patienten anstatt im Rahmen von kontrollierten Studien in bestehenden Versorgungsstrukturen Behandlung finden, fehlt es folglich dringend an Studien, die eine solche Übertragbarkeit überprüfen.

Untersucht werden soll die Wirksamkeit der DBT im Rahmen eines in Berlin bestehenden ambulanten Versorgungsnetzwerkes (www.borderline-netzwerk-berlin.de) für Patientinnen und Patienten mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS). Die Ergebnisse sollen mit den Ergebnissen von bereits durchgeführten Studien zur Wirksamkeit der DBT unter Experimentalbedingungen verglichen werden (Benchmarking-Design). Die auf drei Jahre angelegte Studie soll damit einen Beitrag zur Erforschung der tatsächlichen psychotherapeutischen und psychiatrischen Versorgung von Borderline-Patienten mit DBT leisten und damit eine Antwort auf die Übertragbarkeit bisher vorliegender Studienergebnisse bieten.

Da im Gegensatz zu RCTs Therapeuten, die an den bestehenden Versorgungsstrukturen teilnehmen, über eine sehr unterschiedliche DBT-Expertise verfügen, soll ergänzend untersucht werden, ob das Ausmaß an praktizierter DBT – erfasst über Adhärenzratings – einen Einfluss auf die Therapieergebnisse hat. Die Adhärenzratings dienen darüber hinaus dazu, aufzudecken, welche DBT-Strategien zum Therapieerfolg beitragen.

Studiendesign

Um die Wirksamkeit der DBT zu überprüfen, werden die teilnehmenden Patienten über ein Jahr diagnostisch begleitet. Es finden innerhalb dieses Zeitraumes 4 Messzeitpunkte statt, die eine Dokumentation möglicher Veränderungen in den Outcome-Variablen Suizidalität, selbstverletzendes Verhalten (SVV), medizinisches Risiko bei Suizidversuchen und SVV, Anzahl stationärer Aufenthalte, Therapieabbruchrate (Drop-out), Depressivität und Hoffnungslosigkeit ermöglichen sollen. Nachuntersuchungen (Follow-up-Erhebungen) sind für die Zeitpunkte ein und zwei Jahre nach der einjährigen Untersuchungsphase geplant.

Studienablauf

Melden sich die Patienten mit der Verdachtsdiagnose einer BPS telefonisch beim Studienzentrum, wird bereits ein erstes Screening hinsichtich der Ein- und Ausschlusskriterien am Telefon durchgeführt. Erfüllen die Patienten wesentliche Einschlusskriterien, wird ein erster klinischer Kontakt am Studienzentrum mit Sitz an der Charité, Campus Benjamin Franklin, vereinbart. Es erfolgt ein umfangreiches diagnostisches Gespräch. Für den Fall, dass der Patient in die Studie eingeschlossen werden kann, werden verbliebene Fragen des Patienten und ggf. auch der Eltern sorgsam geklärt.
Einschlusskriterien und Ausschlusskriterien sind:

Einschlusskriterien:

  • Diagnose einer Borderline-Persönlichkeitsstörung nach DSM-IV (301.83)
  • Lebensalter mindestens 16 Jahre
  • Im Unterschied zu den Studien von Linehan und Bohus werden Männer und Frauen in die Studie eingeschlossen.

Ausschlusskriterien:

  • Lebenszeitdiagnose einer Schizophrenie oder einer bipolaren affektiven Störung
  • Akute Suizidalität
  • Medikamenten-, Drogen oder Alkoholabhängigkeit in den letzten 6 Monaten
  • Body-Mass-Index (BMI) < 18
  • Auffällige Intelligenzminderung (IQ < 80)
  • Antisoziale Persönlichkeitsstörung
  • Laufende Psychotherapie

Erklärt sich der Patient mit einer Teilnahme an der Studie bereit, wird ihm die Telefonnummer von einem Therapeuten, bei welchem er sich innerhalb von zwei Wochen melden muss ausgehändigt. Die Auswahl des Therapeuten erfolgt nach vorhandenen Kapazitäten; Wünsche des Patienten (v.a. Ort, Geschlecht) sollen soweit wie möglich berücksichtigt werden. Patient und Therapeut vereinbaren dann einen Termin für die erste probatorische Sitzung.

Nach Abschluss der probatorischen Sitzungen beantragt der Einzeltherapeut eine Therapie bei der zuständigen Krankenkasse. Der offizielle Beginn der Therapie entspricht der ersten Sitzung nach Genehmigung durch die Krankenkasse. Der offizielle Beginn der DBT-Behandlung beginnt nach Unterzeichnung des DBT-Behandlungsvertrages. Daran anschließend kann der Patient an dem Fertigkeitentraining teilnehmen. Die Vermittlung erfolgt über den Therapeuten.

Können Patienten z.B. aufgrund akuter Suizidalität oder starker, ambulant nicht behandelbarer psychischer Belastung nicht an der Studie teilnehmen, werden diese an entsprechende Einrichtungen weiter vermittelt. Die Eingangsdiagnostiker verfügen hierfür über eine Liste entsprechender Einrichtungen.

Literatur

Koons CR, Robins CJ, Tweed JL, Lynch TR, Gonzalez AM, Morse JQ, Bishop GK, Butterfield MI & Bastian LA (2001). Efficacy of dialectical behavior therapy in women veterans with borderline personality disorder. Behavior Therapy, 32, 371-390.

Linehan MM, Armstrong HE, Suarez A, Allmon D & Heard H (1991). Cognitive-behavioral treatment of chronically parasuicidal borderline patients. Archives of General Psychiatry, 48, 1060-1064.

Linehan MM, Heard HL & Armstrong HE (1993). Naturalistic follow-up of a behavioral treatment for chronically parasuicidal borderline patients. Archives of General Psychiatry, 50, 971-974.

Linehan MM, Comtois KA, Murray AM, Brown MZ, Gallop RJ, Heard HL, Korslund KE, Tutel DA, Reynolds SK & Lindenboim N (2006). Two-year randomized controlled trial and follow-up of dialectical bevavior therapy vs. Therapy by experts for suicidal behaviors and borderline personality disorder. Archives of General Psychiatry, 63, 757-66.

Turner RM (2000). Naturalistic evaluation of dialectical behaviour therapy-oriented treatment for borderline personality disorder. Cogn Behav Pract, 7, 413-419.

Verheul R, Van den Bosch LMC, Koeter MWJ, De Ridder MAJ, Stijnen T & Van den Brink W (2003). Dialectical behaviour therapy for women with borderline personality disorder. British Journal of Psychiatry, 182, 135-140.